Das ehrgeizige Projekt des Jeddah Tower – gedacht als höchstes Gebäude der Welt – nimmt nach mehreren Jahren Stillstand wieder Fahrt auf. Ursprünglich im Jahr 2013 begonnen und als Symbol des wirtschaftlichen Wandels Saudi-Arabiens im Rahmen von Vision 2030 geplant, haben die Entwickler im Jahr 2025 bestätigt, dass die Bauarbeiten wieder aufgenommen wurden und die Fertigstellung für 2028 vorgesehen ist.
Der Jeddah Tower ist nicht nur ein architektonisches Großprojekt, sondern auch Teil einer strategischen Initiative, die Stadt Dschidda zu einem globalen Finanz-, Tourismus- und Kulturzentrum zu machen – in Konkurrenz zu Dubai, Shanghai und New York.
Projektübersicht
Der Jeddah Tower, früher bekannt als Kingdom Tower, befindet sich im Norden von Dschidda an der Küste des Roten Meeres. Die geplante Höhe soll über 1.000 Meter betragen und ihn damit zum ersten Gebäude weltweit machen, das die Kilometer-Marke übertrifft.
Das Gebäude ist das Herzstück der Jeddah Economic City, einem Stadtentwicklungsprojekt mit einer Fläche von über 5,3 Millionen m². Geplant sind:
- Luxushotels und Serviced Apartments
- Büroflächen der Spitzenklasse
- Eine Aussichtsplattform auf über 600 Metern Höhe
- Konferenz- und Veranstaltungsräume
- Premium-Gastronomie und Einzelhandel
- Umweltfreundliche und zukunftsweisende Gebäudetechnik
Baugeschichte und Stillstand
Der Bau begann im Januar 2013, wurde jedoch im Jahr 2018 nach dem Erreichen von rund 250 Metern Höhe (etwa 63 Etagen) unterbrochen. Die Gründe für den Baustopp waren vielfältig:
- Finanzierungsengpässe infolge sinkender Ölpreise
- Verhaftungen prominenter Investoren, darunter Prinz Al-Walid bin Talal
- Probleme mit Bauunternehmen und Lieferketten
- Technische Herausforderungen im Hinblick auf Wüstenklima und Windbelastung
Neustart und überarbeiteter Zeitplan
Im Jahr 2023 wurde das Projekt offiziell neu gestartet, mit überarbeitetem Zeitrahmen und neuem Management. 2025 bestätigte die Jeddah Economic Company (JEC), dass internationale Partner aus China, Südkorea und den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebunden wurden.
Der aktualisierte Fahrplan sieht vor:
- Wiederaufnahme des vertikalen Baus und Abschluss bis Ende 2027
- Inbetriebnahme und Eröffnung für das erste Halbjahr 2028 geplant
- Gesamtkosten werden auf über 1,6 Milliarden Euro geschätzt
- Bis zu 12.000 Fachkräfte und Bauarbeiter sollen gleichzeitig auf der Baustelle tätig sein
Architektur und Technik
Das Design stammt vom renommierten Architekturbüro Adrian Smith + Gordon Gill Architecture, das auch für den Burj Khalifa in Dubai verantwortlich ist. Der Jeddah Tower soll diesen jedoch in mehrfacher Hinsicht übertreffen.
Technische Merkmale:
- Aerodynamischer Grundriss in Form eines dreiflügeligen Sterns zur Reduktion der Windlast
- Fassadenverglasung mit Sonnenschutzbeschichtung, die bis zu 60 % der Wärme reflektiert
- Intelligente Hochgeschwindigkeitsaufzüge mit bis zu 10 m/s, darunter Doppelstockkabinen
- Mehrzonen-Klimatisierung und Energierückgewinnungssysteme
- Baustoffe mit niedriger CO₂-Bilanz, angestrebte LEED-Gold-Zertifizierung
Nutzungskonzept und Wirtschaftlichkeit
Der Jeddah Tower ist als vertikale Multifunktionsstruktur konzipiert, mit Zielgruppen aus dem gehobenen Wohn- und Geschäftsbereich sowie dem internationalen Tourismus.
Geplante Flächennutzung:
- 35 % Wohneinheiten
- 15 % Hotelnutzung
- 30 % Büroflächen
- 20 % für Einzelhandel, Gastronomie und öffentliche Bereiche
Der Quadratmeterpreis für Wohnflächen könnte bei 12.000–14.000 Euro liegen, während Büroflächen zwischen 800 und 1.200 Euro/m² jährlich vermietet werden könnten.
Laut JEC kann das Gebäude bei Vollauslastung jährlich über 300 Millionen Euro Einnahmen generieren und bis zu 3 Millionen Besucher pro Jahr anziehen.
Strategische Bedeutung für die Region
Der Jeddah Tower ist Teil einer umfassenden Strategie zur Positionierung von Dschidda als wirtschaftliches Zentrum am Roten Meer. Zu den erwarteten Effekten gehören:
- Ansiedlung von internationalen Unternehmen und Start-ups
- Förderung des Kongress- und Geschäftstourismus
- Ausbau der Hotellerie- und Kulturszene
- Stimulation des Immobilienmarktes im nördlichen Dschidda
Langfristig könnte der Turm den Wettbewerb mit Dubai um die Vorherrschaft in der Golfregion weiter anheizen.
Herausforderungen und Kritik
Trotz des Neustarts gibt es weiterhin Bedenken:
- Wirtschaftliche und geopolitische Risiken in der Region
- Zweifel an der ökologischen Nachhaltigkeit eines solchen Bauwerks
- Eingeschränkte Anbindung an die bestehende Infrastruktur
- Unklar, ob langfristig genügend Nachfrage nach Luxus-Büros und Apartments besteht
Städteplaner und Umweltforscher stellen zudem infrage, ob kilometerhohe Wolkenkratzer in Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenknappheit noch zeitgemäß sind.
Fazit
Die Wiederbelebung des Jeddah Tower markiert die Rückkehr eines der spektakulärsten Bauprojekte der Welt. Nach Jahren des Stillstands wird das Vorhaben nun mit realistischeren Zielen, internationaler Expertise und höherem Fokus auf Nachhaltigkeit fortgesetzt.
Sollte die Eröffnung wie geplant 2028 erfolgen, wird der Jeddah Tower nicht nur ein neuer Weltrekordhalter in der Höhe sein, sondern auch ein Symbol für den Wandel und die Modernisierung Saudi-Arabiens.
Mit seinem ikonischen Design, seiner strategischen Lage und seinem wirtschaftlichen Potenzial könnte der Turm ein Meilenstein in der Geschichte der Architektur und Stadtentwicklung werden.